Vendemmia
(19. - 30.09.2015)
Nachdem uns letztes Jahr meine Krankheit die Teilnahme an der Weinlese bei Gregorio unmöglich gemacht hat, klappt es 2015 endlich! Für uns heißt das unter dem Strich wirklich schwere Arbeit, mehr Freizeit als gedacht und nicht zuletzt unbezahlbare neue Kontakte und Freundschaften.
Samstag, 19. September 2015
Wir starten früh - und nachdem inzwischen auch die letzten Sommerferien vorbei sind, ist auf unserer Route wenig Verkehr.
So erreichen wir das "Civettaio" völlig entspannt am Nachmittag, Gregorio begrüßt uns herzlich und mit der Neuigkeit, dass wir morgen frei haben.
Wir werden diesmal im Appartement "Lepre" untergebracht, unser bisheriges "Stamm-Appartement" "Civetta" ist von zwei anderen Erntehelferinnen belegt. Aber auch das kleinere Appartement ist wirklich schön und für zwei Personen mehr als ausreichend. Wir lernen auch gleich die neue vierbeinige Bewohnerin "Mutz", eine schöne schwarze Katze, kennen. Abends beim Vermentino* erzählt uns Gregorio, dass Ciro, der umwerfend süße kleine Kater von 2013, leider unter ein Gästeauto gekommen ist...
Sonntag, 20. September 2015
Nachdem wir ja nicht einschätzen können, wie sich die nächsten Tage bezüglich Freizeit entwickeln werden, fahren wir heute nach Grosseto und kaufen schon mal das meiste ein, was wir mit nach Hause bringen sollen, hier haben die Supermärkte auch außerhalb der Saison auch am Sonntag offen.
Anschließend spazieren wir bei sommerlichen Temperaturen durch die Innenstadt, essen zu Mittag und fahren anschließend zurück nach Paganico. Den Rest des Tages entspannen wir uns und lassen ihn schließlich mit dem guten Wein des Hauses ausklingen.
Montag, 21. September 2015
Um erste Einblicke in die Geheimnisse der Weinlese - und beim biologischen Anbau inklusive manueller Ernte sind das gar nicht mal so wenige - zu bekommen, sollen wir heute früh zum Einbringen der letzten Reihen Vermentino antreten.
Luciana, die das Kommando über alle Erntehelfer hat, begrüßt uns so herzlich, dass nicht nur wir über ihren Gefühlsausbruch hin und weg sind, das ist sonst nicht ihre Art... Sie versorgt uns mit speziellen Scheren und im Weinberg erklärt sie uns, welche Trauben wir nehmen sollen und welche nicht (und auch, warum). Wir lernen auch die anderen Erntehelfer kennen, die meisten kommen aus dem Dorf und helfen seit Jahren mit. Die ersten drei Stunden vergehen schnell - aber weil wir so viel körperliche Arbeit ja nicht wirklich gewöhnt sind, schreit unser Rücken danach schon sehr laut nach Entspannung...
Den freien Nachmittag nutzen wir aus, um nach San Galgano zu fahren. Auch diesmal streifen wir zuerst durch die riesige Kirchenruine, dann machen wir uns auf den Weg hinauf auf den Hügel mit der Pilgerkapelle. Dort bewundern wir nicht nur das Schwert des Galgano, ein Symbol der Toskana, sondern auch die beeindruckenden Fresken.
Auf dem Weg zurück zum Auto überlegen wir, was wir bei dem herrlichen Wetter mit dem restlichen Nachmittag anfangen wollen. Uns fällt ein Tipp von Gregorio ein, den wir bis dato noch nicht umgesetzt haben: Massa Marittima. Dorthin ist es auch nicht weit, also machen wir uns auf den Weg.
Und es lohnt sich definitiv! Wir finden einen sehr zentralen Parkplatz und spazieren ohne Zeitdruck durch die Altstadt. Hier gibt es viele malerische Winkel, schöne Plätze und interessante Palazzi - und wegen der Saison kaum Touristen. So haben wir die Gassen der Stadt, die Sehenswürdigkeiten und den Dom fast für uns allein. Das Wetter spielt ja auch mit, so dass wir auf der Piazza vor dem Dom einen Aperitif genießen, bevor wir zurück fahren.
Im "Civettaio" erfahren wir, dass wir auch morgen und am Mittwoch noch frei haben werden - ob es am Donnerstag dann mit dem Sangiovese* los gehen kann, muss sich erst noch herausstellen...
Montag, 22. September 2015
Nachdem wir so unverhofft zu einem weiteren freien Tag gekommen sind, haben wir uns gestern Abend für heute eine Runde um den Monte Amiata vorgenommen - auch dies ein Ziel, das wir oft genug auf Wegweisern gesehen, aber noch nicht geschafft haben.
Unser erstes Zwischenziel ist Castel del Piano - auf den ersten Blick eine hübsche kleine Stadt ohne herausragende Sehenswürdigkeiten. Allerdings führt uns unsere Neugier nicht nur auf die Piazza Madonna mit den beiden Kirchen und dem Uhrturm, sondern auch in den Durchgang unter diesem Turm. Und wieder einmal entdecken wir etwas, was kaum in einem Reiseführer steht! Der mittelalterliche Borgo* ist verwinkelt und malerisch, hier gibt es viele Winkel und enge Gassen, aber keine Touristen. Wir spazieren einige Zeit herum, dann fahren wir weiter.
Durch ausgedehnte Edelkastanienwälder fahren wir zum Parkplatz unterhalb des Gipfels des Monte Amiata. Von hier aus ist es nur ein kurzer Spaziergang hinauf zum monumentalen Kreuz, das auf Veranlassung von Papst Leo XIII. errichtet wurde. Ein paar Minuten dauert es von hier bis zur Madonna degli Scouts (Muttergottes der Pfadfinder), einer weißen Statue auf einer fast etwas überdimensionierten Eisenkonstruktion. Und ihre Aussicht könnte man die Madonna allerdings durchaus beneiden!
Weiter geht unsere Runde um den Monte Amiata, immer gegen den Uhrzeigersinn. Unser nächstes Ziel ist Abbadia San Salvatore - genauer gesagt die ehemalige Zisterzienser*-Abtei aus dem 8. Jahrhundert, die dem Ort den Namen gegeben hat. Nach einem Imbiss auf der Piazza vor der Kirche erkunden wir die Klosterkirche mit ihrem ungewöhnlichen Innenraum, der langobardischen* Krypta* und den freskenverzierten Kapellen. Rund um die Kirche entdecken wir noch einige malerische Winkel - und den Wegweiser zum mittelalterlichen Borgo (den wir gar nicht auf dem Plan hatten, den wir uns aber natürlich nicht entgehen lassen). Noch weniger auf Touristen eingestellt als in Castel del Piano sind die engen Gassen, hier gibt es nicht mal ein Café oder eine Trattoria... Aber dafür fotogene Ecken ohne Ende! Wir könnten hier wahrscheinlich noch eine Stunde mehr verbringen, aber irgendwann müssen wir weiter...
Den letzten Stopp des Tages legen wir in Sant'Angelo in Colle ein - so oft sind wir hier schon vorbei gefahren. Auch hier finden wir einen malerischen Borgo mit sehenswerten kleinen Kirchen vor, der noch dazu herrliche Ausblicke auf das Val d'Orcia bietet. Wie schon an den anderen Tageszielen sind auch hier Touristen Fehlanzeige, obwohl das Dorf gut sichtbar in unmittelbarer Nähe der Provinzstraße liegt...
Von hier aus ist es nur noch ein kurzes Stück zurück nach Paganico.
Mittwoch, 23. September 2015
Da das Wetter heute etwas zu wünschen übrig lässt, nutzen wir die Zeit, um Nadine, die Tochter einer Freundin, zu besuchen, die seit knapp zwei Jahren in der Nähe von Sovana auf einer Ranch* lebt, die Reitausflüge in die Umgebung veranstaltet.
Auch wenn wir uns vorher nur sehr flüchtig gekannt haben, finden wir schnell einen Draht zueinander und verbringen einige angenehme Stunden bei Nadine. Sie zeigt uns die Ranch inklusive der tierischen Bewohner und wir merken, dass sie hier inzwischen zuhause ist und sich wohl fühlt.
Donnerstag, 24. - Samstag, 26. September 2015
Endlich sind die roten Sangiovese*-Trauben so weit, dass die Ernte beginnen kann!
Da der Sonntag wieder frei ist, haben wir drei Tage mit Arbeit in den verschiedenen Lagen vor uns. Jeden Tag bewegen wir zu zweit rund eine Tonne Trauben - das haben wir uns anhand der von uns gefüllten Kisten ausgerechnet, in jeder befinden sich ca. 25 kg und wir füllen gut 40 von ihnen am Tag. Da bei Gregorio die komplette Ernte bis auf das Einsammeln der Kisten und deren Transport zur Kellerei (das wird mit einem Traktor erledigt) Handarbeit ist, kann die Arbeit durchaus als anstrengend bezeichnet werden! Und je nach Lage des Weinbergs (und entsprechend je nach Arbeitshaltung) leidet manchmal vor allem der Rücken...
Einzelne Trauben sind einfach nur riesig - mit einem Schnitt hat der Erntehelfer auf einmal 4 Pfund in der Hand. Aber wir genießen die körperliche Betätigung und die neuen Kontakte zu den anderen Helfern!
Sonntag, 27. September 2015
Unser erstes Ziel heute ist Arcidosso - das gewaltige Castel* Aldobrandesco haben wir schon auf unserer Runde um den Monte Amiata kurz gesehen. Aber das kleine Zentrum auf dem Hügel hat weit mehr als das - auch von innen sehenswerte - Castel zu bieten! Zahlreiche Treppen und schmale Gassen, malerische Winkel und fotogene Durchblicke halten uns viel länger gefangen, als wir eigentlich geplant hatten...
Wir fahren heute einmal eine Route, die uns bisher noch völlig entgangen ist - aber die schöne Landschaft und die interessanten Orte sind es wert!
Unser nächster Halt ist in Roccalbegna - ein kleines Dorf am Fuß eines gewaltigen Felsens samt Burgruine. Und auch hier finden wir noch mehr Sehenswertes: eine kleinere Burg, mehrere interessante Kirchen und ein paar mittelalterliche Palazzi*. Was wir aber auch hier nicht finden, sind andere Touristen...
Über Arcille fahren wir zurück nach Paganico. Abends sitzen wir mit Gregorio, Paula und Giulia noch länger vor dem Haus zusammen und erhalten eine besondere und sehr interessante Lektion in Weinkunde. Die Mehrsprachigkeit ist für keinen von uns ein Problem, wir verstehen uns bestens!
Montag, 28. September 2015
Wir haben heute ganz überraschend noch einen freien Tag, weil Luciana die Trauben von ihrem eigenen kleinen Weinberg dringend einbringen muss und Gregorio ihr dafür die Helfer zur Verfügung stellt. Wir bieten unsere Hilfe natürlich auch an, aber Luciana meint, dass es zu kompliziert wäre, uns die Lage ihres Weinbergs zu erklären...
Also nutzen wir den Vormittag für die letzten Einkäufe aus. Am Nachmittag nehmen wir uns ein Ziel vor, das wir eigentlich jeden Tag mehrmals von den Pinien vor dem Haus aus sehen: Campagnatico. Und wieder entdecken wir ein absolut sehenswertes Dorf mit unzähligen malerischen Winkeln, schönen Plätzen und interessanten Anblicken.
Vor allem rund um die Piazza Garibaldi gibt es viel zu entdecken - und auch der Spaziergang ans andere Ende des lang gestreckten Hügels lohnt sich! Herrliche Ausblicke und die Kirche San Giovanni Battista mit ihrem außergewöhnlichen Campanile* sind die Highlights dieses Spaziergangs.
Dienstag, 29. September 2015
Heute ist unser letzter Arbeitstag bei der Vendemmia* - zumindest für dieses Jahr!
Es wird ein recht langer Tag, weil ab Ende der Woche schlechtes Wetter angesagt wird und natürlich so schnell wie möglich so viele Trauben wie möglich eingebracht werden müssen.
Mit vereinten Kräften schaffen wir fast die ganzen verbliebenen Sangiovese-Trauben, so bleiben den anderen nur noch die letzten Reihen Sangiovese und der kleine Cabernet*-Weinberg.
Am Abend richten Paula und Giulia für uns ein kleines Abschiedsessen her und wir sitzen noch einige Zeit gemütlich beisammen.
Mittwoch, 30. September 2015
Am Morgen besuchen wir noch einmal die anderen im Weinberg, nehmen uns ein paar Sangiovese-Trauben für zuhause mit und verabschieden uns von den anderen Erntehelfern.
Dann fahren wir ohne irgendwelche Probleme heim nach Niederbayern - aber mit dem festen Vorsatz, bei der nächsten Vendemmia wieder dabei zu sein.